Mittwoch, 29. Oktober 2008

EU-Beschwerde im Interesse der Bürger und Steuerzahler

Koblenz. Die Planungen zur Bebauung des Zentralplatz seitens der Stadt und der Investoren ECE und STRABAG REAL ESTATE sind sehr komplex, besonders hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung.

Nach bisherigem Sachstand wird das Multimillionen-schwere Bauprojekt Zentralplatz die Stadt Koblenz (demnach die Bürger und deren Kinder) in den kommenden dreißig Jahren erheblich belasten. Alleine der Hybrid Kulturbau soll nach bisherigem Sachstand rund 72,5 Millionen Euro kosten, die Kosten für den der Bibliotheks- und Museumseinrichtungen aus den bisherigen Standorten sind nicht einmal ermitteln. Weitere Millionen will die Stadt bereits für den Abriss des Hertie-Gebäudes aufwenden, nämlich 90% der Kosten, während sich die Investoren, deren Shopping Mall nahezu viermal so groß ausfällt wie der Kulturbau lediglich das restliche Zehntel tragen sollen.

Gerade bei solch kolossalen Bauprojekten kommt einem Ausschreibeverfahren große Bedeutung zu. Nur so können echte, wettbewerbskonforme Bebauungspreise objektiv ermittelt und die Interessen der Steuerzahler berücksichtigt werden. Das deutsche Vergaberecht ist konkretisiertes Haushaltsrecht. Es hat die nationale Tradition, der Verwaltung und den kommunalen Entscheidungsträgern die Verantwortung aufzulegen, bei Ausgaben aus Verantwortung vor dem Steuerzahler das günstigste Angebot zu ermitteln. Einen Kulturbau im Miet-Kauf-Modell bieten europaweit viele Firmen an. "Wer garantiert mir als Stadtrat, dass gerade Strabag/ECE das günstigste Angebot darstellen?" Eine freihändige Vergabe hingegen bleibt für Außenstehende eine "Black-box" und somit intransparent. Die Bürgerinnen und Bürger sowie mindestens eine weitere Generation sind diejenigen, die die Rechnung auf dem Zentralplatz begleichen müssen.

Bislang bestreitet die Stadtverwaltung, dass für die Bauvorhaben eine europaweite Ausschreibung erforderlich ist. Dabei bezieht sie sich auf eine angebliche rechtliche Prüfung, die bisher der Öffentlichkeit verborgen blieb. Angesichts dieser letztlich unklaren rechtlichen Situation zur geplanten freihändigen Vergabepraxis und hinsichtlich der erheblichen finanziellen Tragweite des Projekts für Koblenz hat die BI sich mit einer EU-Beschwerde auf die Seite der Bürger und Steuerzahler gestellt. Die BI will nicht hinnehmen, dass Vertreter der Stadt geltendes Recht ohne fundierte Prüfung so interpretieren, wie es den Planern des Projekts am besten zu passen scheint, etwa um den engen Kreis aus Investoren und Stadt nicht für weitere Beteiligte zu öffnen.

Übrigens sind EU-Beschwerden in Bezug auf geplante große Bauprojekte kein Einzelfall, wie man auch am Beispiel des FOC Montabaur und einem weiteren Beispiel eines geplanten Einkaufszentrums in Sinzig feststellen kann. Es ist letztlich vielmehr ein legitimes Instrument zur Klärung komplexer vergaberechtlicher Rechtsfragen. Im Fall FOC Montabaur hat die EU der Klage in allen Punkten stattgegeben.

Der Oberbürgermeister, der sich offensichtlich angegriffen fühlt, bedient sich in Bezug auf die EU-Beschwerde sogar der Vokabel des "Anschwärzens" in der öffentlichen Ratssitzung am vergangenen Montag. Dies ist keineswegs die Intention der BI. Allen Beteiligten muss daran gelegen sein, bei einem Projekt solcher Tragweite absolute Rechtssicherheit vor der endgültigen Entscheidung zu erlangen. Dies ist schon deshalb so wichtig, da nicht alle Ratsmitglieder verständlicherweise juristisch ausgebildet sind, vor allem in vergaberechtlichen Fragen. In der öffentlichen Ratssitzung am vergangenen Montag entstand vielmehr der Eindruck, dass richtig zu sein hat, was der OB zur geplanten Vergabepraxis äußert, ungeachtet dessen, dass keine fundierte externe Rechtsprüfung bislang vorgenommen wurde - also kein definitives Ergebnis zur rechtlichen Situation aktuell vorliegt. Sollte die Prüfung der EU-Kommission zum Ergebnis kommen, dass der Verzicht auf die europaweite Ausschreibung (wie derzeit von der Stadtverwaltung geplant) unzulässig ist, werden etwaige Beschlüsse nichtig. Praktisch bedeutet dies dann wahrscheinlich: Abriss des halbfertigen Gebäudes auf dem Zentralplatz.

Eine europaweite Ausschreibung hätte dem Stadtrat zumindest die Gewissheit gegeben, in der angespannten Haushaltslage der Stadt Koblenz verantwortungsvoll mit den kommunalen Geldern umgegangen zu sein. Den Vorwurf, nicht das günstigste Angebot ermittelt zu haben, wird sich der Stadtrat in Zukunft gefallen lassen müssen.

Überdies steht auch die persönliche Haftung der Vertreter des Stadtrates weiterhin im Raum. Wer sich vor dieser Haftungsgefahr sicher schützen möchte, darf beim anstehenden Beschluss zum städtebaulichen Vertrag nicht die Hand zur Zustimmung geben. Wer die Interessen der Bürger und Steuerzahler wahren möchte, muss die Beschlussvorlage ablehnen.

(Pressemitteilung BI Zentralplatz)